Steht der Protestantismus vor seinem Bankrott?
Von Missionar Manfred Kämpf, CH-Wetzikon / Peru
Aus: DER SCHMALE WEG Nr. 3 / 2016
Die Verwerfung Jesu als Messias und seine Kreuzigung bedeuteten für das Judentum den geistlichen Bankrott. Als Folge davon verkündeten verschiedene christliche Kirchen mit einer gewissen Überheblichkeit und Anmaßung: Die Christenheit sei nun, anstelle der Juden, das neue Volk Gottes. Bei einem Großanlass in Berlin träumte man sogar davon, dass die Christenheit jetzt im Begriff sei, sich von einem lange währenden niederen „Frosch-Dasein“ zum „Königtum“ aufzuschwingen, – natürlich unter der Vorstellung einer ökumenischen Welteinheitskirche nach Überwindung der sog. Kirchenspaltung. Das wäre ja ein herrliches Ziel, wenn alle Welt dahin käme, auf Christi Stimme zu hören, und endlich nach Gottes Willen regiert würde, aber das Ganze müsste doch auf dem Boden der Wahrheit und der Realität stehen!
Stattdessen aber droht der Christenheit ebenfalls der geistliche Bankrott – einerseits durch die Annahme einer unbiblischen sog. „ökumenischen Einheit“, also der freiwilligen Rückkehr der protestantischen Kirchen unter Roms Dach- und andererseits durch die Preisgabe der einst mit dem Blut der Märtyrer teuer erkämpften, reformatorischen Wahrheiten und reformatorischer Freiheit. Eigentlich ist ja den Christen die göttliche Verheißung gegeben, zur „Erkenntnis der Wahrheit“ (1.Tim. 2.4) gelangen zu können; nun aber droht totale Verwirrung, – so wie es der Prophet zum Ausdruck bringt: „Mein Volk geht aus Mangel an Erkenntnis zugrunde“ (Hosea 4.6).
Schon vor einigen Jahren schrieb z.B. ein evangelikaler Theologe, Dr. Werner Neuer vom Seminar St. Chrischona, nach einem Treffen mit dem Papst ganz begeistert von einer „ökumenischen Sternstunde“, und gleichzeitig teilte er uns des Papstes Wünsche für das Reformationsgedenkjahr 2017 mit: Es möge zu einem „gemeinsamen Bekenntnis der Schuld“ und zum „Bekenntnis des gemeinsamen christlichen Glaubens“ kommen.
Der fremde Hirte
Aber hier scheint nun alles auf dem Kopf zu stehen. Protestanten, die jahrhunderte-lang vom Papst, also dem angeblichen „Oberhirten der Christenheit“, wie Schlacht-schafe gejagt, verfolgt, gefoltert, erwürgt, verbrannt und gemordet wurden, sollen jetzt Buße tun, weil sie ihm davongelaufen sind und eigene, von Rom unabhängige Kirchen und Gemeinden gegründet haben. Aber die „Schafe Christi“ waren vor die-sem „römischen Hirten“ ausgerissen, weil sie dessen Stimme nicht als die Stimme des „Guten Hirten“ erkannt hatten, denn Jesus lehrt ja ausdrücklich: „Ich bin der gute Hirte und meine Schafe kennen meine Stimme; einem fremden Hirten aber folgen meine Schafe nicht, sondern sie fliehen vor ihm, denn sie kennen des Fremden Stimme nicht“ (Joh. 10,1-14).
Anscheinend zu Recht sagt man, der Mensch würde nichts aus der Geschichte ler-nen. Einmal erlebte ich sogar, dass im Beisein mehrerer Brüder ein Bibelschullehrer lautstark verkündete, „Kirchengeschichte sei Dreck“. Dieser Mitarbeiter war, wie sich später herausstellte, ein Anhänger schwarmgeistiger Kreise und wollte mit seinem krassen Ausspruch sagen: „Wir stehen im Heute und müssen uns den heutigen Her-ausforderungen stellen, denn was gestern war, interessiert uns nicht mehr.“
Wie ein begossener Pudel geht man nach solcher „Belehrung“ nach Hause und fängt das Nachdenken an. Man fragt sich: Besteht nicht die Bibel selbst zu einem großen Teil aus Geschichtsbüchern? Und dann entdecken wir, dass die Bibel sogar größten Wert auf geschichtliche Überlieferung legt, denn in 1.Korinther 10,1-11 lesen wir: Gewisse Geschehnisse vergangener Zeiten wurden eigens „aufgeschrieben“, damit sie „uns zur Warnung“ dienen. Und hat nicht unser HERR JESUS selbst Bezug genommen auf längst vergangene Ereignisse, indem er sich erinnerte an „all das ge-rechte Blut, das auf Erden vergossen wurde, bis auf das Blut des gerechten Abel“ (Mt 23,35)?
Und ausgerechnet in unserer Zeit, inmitten endzeitlicher Entwicklungen, sollen wir Geschichte als etwas Wertloses verachten? Aha, langsam beginnen wir zu verstehen: Christen, die nun während 50 Jahren einer massiven ökumenischen Propaganda aus-gesetzt waren, sollen nichts mehr davon wissen, wie und warum es eigentlich zur Reformation kam. Wir sollen vielmehr offen sein für das, was heute im Trend ist – also offen sein für den Zeitgeist. Wir sollen uns nicht mehr daran erinnern, wieviel Märtyrerblut es damals kostete, bis es mit Gottes Hilfe endlich zu einer Befreiung von Rom kam und zu der Gründung unabhängiger, evangelischer Kirchen.
Es soll uns auch nicht mehr bewusst werden, dass die Reformatoren, speziell M. Luther, gar nicht von einer Spaltung der Christenheit sprachen, sondern vielmehr von der „Befreiung der Christenheit aus babylonischer Gefangenschaft“ (siehe Luthers Schrift „Die babylonische Gefangenschaft der Kirche Christi“). Auch die 288 engli-schen Märtyrer sollen wir vergessen, die während der 5 – jährigen Regierungszeit der „blutigen“ Maria lebendig verbrannt wurden, weil sie am protestantischen Glauben festhielten und lieber den Feuertod erlitten, als sich den römischen, unbiblischen Dogmen zu unterwerfen. Unter all diesen Duldern waren 1 Erzbischof, 4 Bischöfe, 21 Geistliche, 55 Frauen und 4 Kinder. Wir sollen auch keine klaren Vorstellungen davon haben, welch großer Segen der Christenheit zuteilwurde durch die vier großen Hauptsäulen des protestantischen Bekenntnisses:
Allein Jesus, denn ER ist der einzige Mittler zwischen Gott und dem Menschen.
Allein der Glaube und allein die Gnade führen zu wahrer Heilsgewissheit.
Allein die Heilige Schrift hat Autorität für den christlichen Glauben.
Ein fataler Irrtum
Auch sollen wir uns nicht mehr daran erinnern, wie damals in Europa die katholi-sche Gegenreformation wütete. Zwei der römischen Überfälle waren besonders grau-sam und heimtückisch – jene von 1572 in Frankreich und von 1641 in Irland. Beide Massaker verliefen nach ähnlichem Plan. Jedem Angriff ging eine Zeit scheinbarer Versöhnung voraus. Katholiken und Protestanten schienen friedlich nebeneinander leben zu können, denn die Katholiken verhielten sich freundschaftlich und nett zu den Protestanten. In Frankreich arrangierte der König sogar die Hochzeit seiner katholischen Schwester mit einem protestantischen Führer, um auf diese Weise ein Zeichen ökumenischen Miteinanders vorzutäuschen.
Die Protestanten, die jahrhundertelange brutale Verfolgung und Unterdrückung ge-wohnt waren, empfanden eine so große Erleichterung, dass sie diesem friedlichen Zusammenleben vertrauten und in ihrer Wachsamkeit nachließen. Sie sahen es als bestätigt an, dass der Vatikan sich nun tatsächlich verändert habe. Das aber war ihr fataler Irrtum, der sie das Leben kostete. Hätten sie doch Jesu Warnung vor den „Wölfen, in Schafspelzen verkleidet“ (Matth. 7.15) besser beachtet – also die War-nung vor Mördern, die sich als Diener Gottes ausgeben! Hätten sie doch Jesu Lehre von den „schlechten Bäumen, die niemals gute Frucht geben können“ (Matth. 7,17 -18) ernster genommen – dass also auch der Baum „Papsttum zu Rom“, von dem ge-schichtlich klar dokumentiert ist, dass dessen „Früchte“ schrecklichste Christenver-folgungen waren, sich niemals wandeln kann!
So aber brach mitten im „ökumenischen Frieden“ von einem Moment zum anderen das Morden los, das in Frankreich mindestens 30 000 Todesopfer forderte (andere Geschichtsforscher kommen auf höhere Zahlen) – und in Irland 40 000.
Natürlich gilt es dabei zu beachten, dass es sich bei den katholischen Verfolgern eher um religiös motivierte, fanatische Anhänger römischer Machtinteressen han-delte, – damals „Römlinge“ genannt – , während ernsthafte, fromme Katholiken ja ebenfalls Verfolgung und Scheiterhaufen erduldeten, wie z.B. Erzbischof Thomas Cranmer, Dr. Rowland Taylor und andere!
Papst Gregor XIII., als angeblicher „Oberhirte der Christenheit“, hätte entsetzt sein müssen über solch gräuliches Abschlachten der „Schafe Christi“, aber statt dessen war es ihm ein Anlass zum Feiern. Um seinem Triumph noch besser und dauerhafter Ausdruck zu verleihen, ließ er in Erinnerung an die Pariser Mordnacht, auch „Bluthochzeit“ genannt, eine Gedenkmünze prägen.
Auch die heutige Christenheit hat nun seit dem 2. Vatikanischen Konzil eine 50 Jahre andauernde Zeit scheinbarer Annäherung und Versöhnung mit der römischen Kirche hinter sich. Vor dem Konzil waren Protestanten für Rom nur „Ketzer“, doch plötzlich wurden sie „getrennte Brüder“ genannt. Diese Strategie war so erfolgreich, dass heute viele Christen aus den evangelischen Gemeinden zu dem Schluss gekom-men sind: Der Vatikan von heute sei nicht mehr vergleichbar mit früheren Zeiten – es habe sich dort Vieles positiv verändert. Nun gälte es, vor der Welt Einheit zu de-monstrieren, um die christliche Botschaft glaubhaft zu bezeugen.
Wie schön wäre es, man könnte sich dem anschließen, aber die Fakten sprechen lei-der eine ganz andere Sprache. Betrachten wir einige Zitate, die dem „Katholischen Kirchenrecht“, genannt „Codex Juris Canonici“, entnommen sind (neu überarbeitet und herausgegeben im Jahr 1983):
Cann. 331 und 333, Seite 100 besagen: „Der Papst … der Stellvertreter Christi … hat oberste Gewalt göttlichen Rechtes. Sie wird ihm also nicht von menschlichen Gremien, etwa der Gesamtheit der Gläubigen oder der Bischöfe, übertragen … seine Entscheidun-gen bedürfen keiner Bestätigung … und es gibt keine Berufung an eine andere Instanz“ (can. 1404)
Der Papst ist oberster Gesetzgeber und oberster Richter. Er selber unterliegt keinem Ge-richt. Im Dienst des Lehrens hat der Papst die höchste Autorität (nicht etwa die Bibel, das geschriebene WORT GOTTES). Entscheidungen „ex – cathedra“ sind unfehlbar.
Seite 357, § 124, Straftaten gegen die Religion und die Einheit der Kirche: Cann. 1364: Glaubensabfall, Irrglauben und Abtrünnigkeit sind die schwersten Vergehen gegen Got-tesverehrung und Einheit der Kirche.
Nach can. 751 ist „Häresie“ die hartnäckige Leugnung einer katholischen Lehre und „Schisma“ ist Verweigerung der Unterordnung unter den Papst.
Seite 71, Can. 205 über die Taufe: „Die Taufe kann nur einmal und unwiderruflich empfangen werden; diese … Kirchengliedschaft ist nicht rückgängig zu machen“.
Nach diesen wenigen Proben aus dem röm. kath. Kirchenrecht wird man sich si-cherlich nicht zu Unrecht fragen: Und wo bleibt das sog.“ Menschenrecht“ auf Glau-bensfreiheit? Naht sich hier womöglich die in der Bibel prophezeite, endzeitliche Diktatur, zumal wir in unserem Umfeld deutlich beobachten, wie gewisse Kräfte im-mer mehr die „antichristlichen Strukturen“ schaffen wollen:
– mit möglichst baldiger Abschaffung des Bargeldes,
– mit Populärmachen der Zahl 666,
– mit dem Installieren des „falschen Propheten“ allerorts (also dem in der Bibel be-schriebenen, blutrünstigen Helfer des Antichristen),
– mit Unterdrückung der Meinungsfreiheit,
– mit absichtlicher Förderung moralischer Zerrüttung unter dem Volk …
Rom hat also, deutlicher denn je zuvor, „kirchenrechtlich“ verankert: Der Papst hat oberste Gewalt göttlichen Rechtes, ist oberster Gesetzgeber und oberster Richter und hat höchste Lehr-Autorität ,mit der definiert werden soll, was „Glaubensabfall“ und was „Irrglauben“ ist. So muss sich jeder Protestant, und natürlich auch jeder ernsthafte Katholik, heute fragen: Setzt sich da nicht ein Mensch an Christi Stelle und wird so zu einem Antichristen? Das Wort „Anti“ bedeutet ja nicht nur „gegen Christus“, sondern kann auch bedeuten, dass sich jemand „an die Stelle von Christus“ setzt. Jesus selbst hat uns aber ausdrücklich vor denen gewarnt, die „unter Meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus“ (Matth.24.5).
Christen sind herausgefordert
Die heutige Christenheit ist also herausgefordert, Stellung zu beziehen, und man fragt sich: Werden die Protestanten im Reformations-Gedenkjahr 2017 tatsächlich eine „Mitschuld“ bekennen und „Buße tun“ über ihr angeblich „schwerstes Vergehen gegen die Einheit der Kirche“ (siehe Cann. 1364)? Werden Protestanten Buße tun über ihrem angeblichen „Irrglauben“, mit dem sie z.B. der römischen Verwandlungs-lehre der Elemente „Brot und Wein „im Abendmahl widersprechen? Der Papst, mit seiner „höchsten Lehr-Autorität“, nennt solches Verhalten „hartnäckige Leugnung einer katholischen Lehre“(siehe can. 751).Deshalb heißt es ja auch im päpstlichen Lehrschreiben „Ut unum sint“ (Latein: Damit sie eins seien): „Die Feier eines ge-meinsamen Abendmahles aller Christen ist erst nach Herstellung der vollen Kirchen-einheit möglich“ – also erst dann, wenn auch die Protestanten wieder vor einer Oblate niederknien und in ihr Christus anbeten, obwohl doch der reformatorische Glaube die biblische Wahrheit erkannt hatte, dass Brot und Wein Symbole sind, so wie bei ande-ren Vergleichen: „Jesus, die Tür“ oder „Jesus, der Weinstock“.
Auch bleibt die Frage: Werden die „Protest-Tanten“ alles Tanten-Wesen ablegen und wieder zurückfinden zum „Protest“ gegen alle römischen Irrlehren, die dem WORTE GOTTES widersprechen? Werden sie mit Dr. Martin Luther bekennen und daran festhalten: „Mein Gewissen ist gebunden an das Wort Gottes. Hier stehe ich, Gott helfe mir, ich kann nicht anders“? Möge es den Protestanten mit Gottes Hilfe gelingen, nicht hineinzugehen in die große Herde ökumenischer Einheit. Jesus selbst spricht von seiner „kleinen Herde“ (Luk.12.32). Andererseits ist allen aufrichtigen, frommen und ernsthaften Katholiken zu wünschen, dass sie den göttlichen Ruf aus Offenbarung 18.4 vernehmen: „Gehet hinaus“!